Sina Steglich (München): Fugen, Falten, Wenden. Metaphern nichtlinearer Zeitlichkeiten als Gegenwartsdiagnostik

Der seit dem Frühjahr 2022 vielfach bemühte Topos der Zeitenwende insinuiert eine aktiv herbeizuführende Umkehr der Zeit, einen im Wortsinne richtungsweisenden Eingriff in den zeitlichen Verlauf. Er ist nicht so sehr deshalb von Interesse, da das Abstraktum Zeit unter Rückgriff auf räumliche Metaphern zu konkretisieren gesucht wird. Viel eher wirft er die Frage auf, was es bedeutet, in den vermeintlich unauYaltbaren Zeitverlauf eingreifen zu wollen, und dies nicht etwa nur retardierend oder beschleunigend, sondern qualitativ durch einen Kurswechsel. Der Vortrag möchte die Zeitenwende als Artikulation nichtlinearer Zeitlichkeit in Bezug setzen zu weiteren (narrativen) Bestrebungen der Zeitgestaltung und deren Metaphernhaushalt. Diese nämlich stehen für jeweils distinkte Zugriffe auf Zeit und Geschichte, begegnen aber allesamt der Herausforderung, die Idee linearer Zeit und ebensolcher geschichtlicher Darstellungen aufzubrechen. Die Auseinandersetzung mit diesen Versuchen kann unser gegenwärtiges Verständnis von Zeit problematisieren als eines, das permanent „in the making“ ist. Denn die Vorstellung einer seienden Zeit, der Menschen einfach ausgesetzt sind, ist nicht nur Entlastung, sondern zugleich Provokation. Und die aktiven Modellierungen sind als eine Reaktion auf Letztere zu begreifen.

Öffentlicher Abendvortrag im Rahmen der interdisziplinären Fachtagung „Zeiten und Wende. Wissenschaftliche Reflexionen und Interventionen

Moderation: Privatdozentin Dr. Caroline Rothauge

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