1806 - Ende oder Neubeginn? Der Untergang des Alten Reiches aus norddeutscher und skandinavischer Perspektive

Aus Anlaß der zweihundertjährigen Wiederkehr der Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation (1806-2006) wurde von März 2005 bis Dezember 2007 am Alfried Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald unter der Leitung von Professor Dr. Michael North das von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung geförderte Pilotprojekt "1806" durchgeführt.

Durchgeführt wurden Forschungsarbeiten, regelmäßige interdisziplinäre Veranstaltungen sowie ein Symposium zum Thema "Das Ende des Alten Reiches im Ostseeraum" (8. bis 10. Juni 2006).

1806 – Ende oder Neubeginn?

Als Folge der politischen Umbrüche nach 1989 hat die politikwissenschaftliche Forschung zu Systemtransformationen am Ende des 20. Jahrhunderts einen neuen Aufschwung genommen. Dabei beachtet sie bisher aber kaum, dass derart tief greifende politische und gesellschaftliche Veränderungen nicht nur ein Phänomen des 20. Jahrhunderts sind, sondern bereits früher von den Zeitgenossen thematisiert wurden. In diesem Zusammenhang untersucht das Projekt die unterschiedliche Wahrnehmung des Zusammenbruchs des Alten Reiches 1806 aus norddeutscher und skandinavischer Perspektive und damit den bedeutsamen Transformationsprozess, der mit der Französischen Revolution begann und zur Gründung des Deutschen Bundes führte.

Lange galt die Zeit um 1800 unter den Historikern als Aufbruch in den deutschen Nationalstaat (Nipperdey: „Am Anfang war Napoleon“), wobei der Zusammenbruch des Reiches als Ende, die beginnenden Reformen in Teilen des ehemaligen Reiches als Neuanfang verstanden wurden (G. Schmidt). Als Franz II. am 6. August 1806 die Krone des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation niederlegte, schlug ihm aus den Territorien des Reiches jedoch ein sehr unterschiedliches Echo entgegen. Während Bayern und Württemberg die Auflösung des Reiches forciert hatten und den Schritt des Kaisers begrüßten, protestierten der schwedische König und der Kurfürst von Hannover dagegen. Zwischen diesen extremen Polen findet sich eine Vielfalt differenzierter, bisher wenig erforschter Reaktionen der anderen Reichsterritorien. Anlässlich des Jubiläums zum 200. Jahrestag des Reichsdeputationshauptschlusses im Jahre 2003 sind in den vergangenen Jahren für Kerndeutschland und wichtige Institutionen des Alten Reiches wie das Reichskammergericht und den Reichstag Forschungen initiiert worden, die das Ende des aus dem Mittelalter stammenden Staats- und Lehnsverbandes thematisieren. Für das immer noch gern als reichsfern bezeichnete Norddeutschland stehen solche Untersuchungen dagegen weitgehend aus.

Das Projekt untersucht daher zunächst die Haltung der norddeutschen Reichsstände und -städte Schwedisch-Vorpommern, Mecklenburg, Holstein, Hamburg, Bremen und Lübeck auf den letzten Sitzungen des Immerwährenden Reichstages. Es fragt, welche Instruktionen die Gesandten von ihren Landesherren erhielten, mit welchen diplomatischen Mitteln sie versuchten, den Reichsverband aufrechtzuerhalten, wie sie die Sitzungen in Regensburg reflektierten, inwieweit sie das Ende des Alten Reiches voraussahen und ihre Landesherren bzw. Stadträte darauf vorbereiteten. Es interessiert vor allem, inwieweit sich die Interessen der einzelnen norddeutschen Reichsstände glichen, wodurch Unterschiede zwischen ihnen motiviert waren.

 

Das Projekte wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Michael North von dem Projektmitarbeiter Dr. Robert Riemer von März 2005 bis November 2007 durchgeführt.

Internetseite des Alfried Krupp Wissenschaftskollegs Greifswald
www.wiko-greifswald.de