Nachruf auf Prof. Dr. phil. habil. Herbert Josef Langer (29.04.1927-19.10.2013)
Professor für Allgemeine Geschichte (1973-1992)
Herbert Langer war ein Spätberufener (aufgrund von Krieg und Vertreibung), dessen Interesse am Dreißigjährigen Krieg und der Frühen Neuzeit aber spätestens im Jahr 1955 einsetzte, als er in Anklam in einer Schulaufführung den Wachtmeister in Wallensteins Lager übernahm. Herbert Langer war zu dieser Zeit schon Musik- und Geschichtslehrer an der Geschwister-Scholl-Oberschule, nachdem er am Putbusser Pädagogium 1946/47 einen Kurs für Geschichtslehrer besucht hatte. Durch ein Fernstudium an der PH-Potsdam bildete er sich nebenbei (seit 1956) zum Diplomlehrer für Geschichte weiter, wurde aber während dieser Zeit von den Greifswalder Historikern entdeckt und als Assistent an das Historische Institut eingestellt. Unter der Anleitung von Johannes Schildhauer und Konrad Fritze entstand hier seine Dissertation „Stralsund 1600-1630. Eine Hansestadt in der Krise und im europäischen Konflikt“, die 1965 abgeschlossen wurde. An diesem Buch liest man sich bis heute fest, insbesondere fasziniert die gründliche wirtschafts- und sozialhistorische Analyse. Auch das differenzierte Wallensteinbild fällt auf, da Langer mit dem tradierten Geschichtsbild vom bösen katholischen, kaiserlichen Wallenstein und den guten Schweden bricht. Seine Sichtweise ist dabei zweifelsohne durch die tschechischen Historiker Josef Polišensky und Miroslav Hroch stimuliert, die Wallensteins Politik in verschiedenen Kontexten analysieren.
Die Auseinandersetzung mit der tschechischen, aber auch der westeuropäischen und schwedischen Forschung bildete dann auch die Grundlage für Herbert Langers Dissertation B, die Habilitationsschrift, in der er mehrere Beiträge zum 17. Jahrhundert für die „Geschichte des deutschen Volkes“, für das Standardwerk der DDR-Geschichtsschreibung, zusammenfasst. Hier erstaunt die breite Perspektive von Wirtschafts-, Sozial- und politischer Geschichte, zu der dann in der Buchveröffentlichung die Kulturgeschichte noch stärker hinzutritt. Mit seinem auf der Habilitationsschrift basierenden „Hortus Bellicus. Der Dreißigjährige Krieg: Eine Kulturgeschichte“ hat Herbert Langer, seit 1973 Professor für Allgemeine Geschichte, und damit auch das Historische Institut in Greifswald international Furore gemacht. Neben Alltags- und Kulturgeschichte kommen hier auch die Literatur und die Musik nicht zu kurz, wenn er anschaulich das Wirken von Heinrich Schütz – heute würde man sagen als „displaced artist“ – in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges geschildert wird.
Die natürliche Vertrautheit mit Kultur, die Herbert Langer in seinen Büchern, aber auch in seinen Vorträgen ausstrahlte, ist heute den meisten Historikern abhanden gekommen. Der „Hortus Bellicus“ erschien dann nicht nur in zahlreichen Auflagen in der DDR und in der Bundesrepublik, sondern auch in Schweden und in Großbritannien. Spätestens seit dem Erscheinen dieses Buches war Langer nicht nur in Mitteleuropa und in Schweden ein geschätzter Redner, sondern er wurde auch in die zahlreichen Jubiläen des Dreißigjährigen Krieges, insbesondere in die Münsteraner Ausstellung „350 Jahre Westfälischer Frieden“ von 1998 einbezogen. Darüber hinaus übersetzte er die Wallenstein-Biographie Polišenskys für den Böhlau Verlag.
Herbert Langer setzte in seinen rund vier Jahrzehnten als Historiker am Historischen Institut der Ernst-Moritz-Arndt-Universität, davon zwei Jahrzehnte als Professor, die lange, produktive Tradition der neueren Geschichte in Greifswald fort – mit der bis heute praktizierten europäischen Ausrichtung und gleichzeitigen Fokussierung auf die Ostsee.
Michael North