Schiffbruch mit Folgen: Verantwortungen, Deutungsmuster, Schreibweisen - Interdisziplinärer Workshop

Donnerstag, 4. Dezember
10:00–10:15 Begrüßung
10:15–11:00 Clara Strijbosch (Utrecht): Segeln in Gottes Hand – und dann?
11:00–11:45 Tina Terrahe (Greifswald): Schiffbruch als literarisches Motiv im frühneuhochdeutschen Prosaroman antiker Tradition
11:45–13:00 Mittagspause
13:00–13:45 Falk Quenstedt (Greifswald): Schiffbruch mit Zuschauer am Magnetberg: Mittelalterliche Narrative existenzieller Gefährdung im Reinfried von Braunschweig
13:45–14:30 Elisabeth Flucher (Greifswald): Riesenkraken und andere Meeresungeheuer in erzählten Schiffbruchsphantasien
14:30–15:00 Kaffeepause
15:00–15:45 Alexandra Heimes (Greifswald): Seenot auf dem festen Land, von Goethe bis Kafka
15:45–16:30 Alexander Waszynski (Greifswald): Virtuelle Untergänge. Fontanes Beinahe-Schiffbrüche

Abendvortrag:
18:00–19:00 Burkhardt Wolf (Wien): Sensing the Sea. Filmische Seenot zwischen Forensik und Fiktion
 

Freitag, 5. Dezember
09:00–09:45 Andreas Bähr (Frankfurt/Oder): „…vnd danckten Gott/ daß er vns auß der Tieffe des Wilden Meers … so gnediglich geholffen/ vnd vns in Egypten …
geführet hatte“. Schiffbruch in Michael Heberer von Brettens „Aegyptiaca Servitus“ (1610)
09:45–10:30 Laura Tack (Rostock): Schiffbruch im Sturm – Perspektiven von Verlust, Bewältigung und Kalkül im Kontext einer spätmittelalterlichen Naturkatastrophe
10:30–11:00 Kaffeepause
11:00–11:45 Sünne Juterczenka (Greifswald): Die Suche nach La Pérouse: Medienberichterstattung, Erinnerungskultur und eine verschollene Forschungsexpedition aus dem 18. Jahrhundert
11:45–12:30 Patrick Schmidt (Rostock): Katastrophen als Routinefälle? Schiffbrüche in der Britischen Marine des 18. Jahrhunderts und ihre Aufarbeitung in Kriegsgerichtsverfahren
12:30–12:45 Pause
12:45–13:45 Ulrike Stern (Greifswald) & Wolfgang Rieck (Nienhagen): „De Nurdwest, de jagt ...“ – Schiffbruch und die Frage der Sprachwahl am Beispiel des hochdeutsch-niederdeutschen Liedtextes Stephan Jantzen, 17. Dezember 1873


Der Schiffbruch ist mehr als ein nautisches Unglück – er fungiert als paradigmatische Metapher und Erzählfigur für Krisen, Umbrüche und Neuorientierungen. Der interdisziplinäre Workshop untersucht epochenübergreifend Deutungsmuster, Schreibweisen und kulturelle Symboliken des Schiffbruchs, mit besonderem Fokus auf die durch ihn ausgelösten Transformationen: Welche existenziellen, sozialen, historischen oder ökologischen Folgen ziehen Schiffbrüche nach sich? Welche Schäden werden verursacht; wie und mit welchen Mitteln werden diese dargestellt und bearbeitet; welche moralischen, sozialen und wirtschaftlichen Verantwortlichkeiten entstehen dabei?

Im Zentrum des Workshops stehen somit die strukturellen Funktionen des Schiffbruchs als Form der Peripetie sowie seine anthropologischen, literarischen und philosophischen Implikationen: Wie wird der Schiffbruch als einschneidendes Ereignis erzählt und wie relationiert er dabei ein Vorher und Nachher zueinander? Welche unterschiedlichen Formen der Bewältigung – wie Versuche der heroischen Rettung, der technologische Kontrolle und Risikominimierung oder des Sich-Fügens – werden entworfen und diskutiert? Welche Darstellungsformen und Schreibweisen sind für Schiffbruch-Narrative charakteristisch und in welchen generischen und diskursiven Traditionen stehen diese?

Im Schiffbruch wurde und wird eine grundlegende Reflexionsfigur menschlicher Existenz und menschlichen Handelns gesehen. Eine Besonderheit dieser Metaphorik liegt in ihrer engen Verflechtung mit wissens- und technikgeschichtlichen Aspekten. Der Figur wurde im Hinblick auf die Verhandlung menschlicher Transgressivität eine historische Spezifik zugeschrieben, die von einer antiken Hybris-Kritik ausgeht und eine zunehmende Selbstermächtigung in der Frühen Neuzeit konstatiert, den Schiffbruch also mit einer (westlichen) Modernisierungserzählung verknüpft. Das wirft Fragen nach den blinden Flecken dieses Narrativs auf: Welche Traditionszusammenhänge, Gattungen, Darstellungsweisen und Reflexionsformen wurden dabei tendenziell ausgeblendet? Wo lassen sich Brüche und Spannungen einer solchen Geschichte zunehmender Rationalisierung, etwa in der Adressierung von Kontingenz und Vorsorge, ausmachen?

Der interdisziplinäre Workshop wird von Greifswalder Literaturwissenschaftler*innen in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg „Baltic Peripeties“ sowie den Universitäten Rostock und weiteren Partner*innen organisiert. Beiträge aus Literatur- und Geschichtswissenschaft, Philosophie und Skandinavistik sollen gattungstheoretische Fragen, geschichtliche Verantwortungszuschreibungen sowie epistemologische und medienhistorische Aspekte des Schiffbruchs als Umbruch reflektieren.
 

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Organisator

  • Alexandra Heimes, Falk Quenstedt, Tina Terrahe und Alexander Waszynski

Veranstaltungsort