Forschungsstand und Ziele

 

 

 

Die Erkenntnis, dass einige der wichtigsten kulturellen Neuerungen bei den steinzeitlichen Jäger-Sammler-Gruppen des Ostseeraumes, darunter die Mikroklingentechnik, der Steinschliff und die Herstellung von Gefäßkeramik, ihre Wurzeln in weiter östlich gelegenen Regionen haben, hat sich erst in den letzten Jahren deutlicher etabliert. Insbesondere in der mitteleuropäischen Forschung wurden diese überregionalen Ost-West-Beziehungen lange unterschätzt. So hat man etwa in den Hypothesen zur Einführung der ersten Keramik bei den Wildbeutern des Nordens den Blick eher auf die südlich benachbarten Bauernkulturen gerichtet. Neue überregionale Forschungen zeigen dagegen, dass der Impuls für die Herstellung spitzbodiger Tongefäße im nordmitteleuropäischen und südskandinavischen Endmesolithikum im 5. Jts. cal BC offenbar Teil einer Jahrtausende alten Tradition von Jäger-Sammler-Keramik ist, die sich über Mittelrussland (ab ca. 6.000 cal BC) und den Ural (ab ca. 2. Hälfte 7. Jt. cal BC) bis nach Ostsibirien (ab ca. 12. Jt. cal BC) und in den Fernen Osten zurückverfolgen lässt, wo erste Tongefäße bereits im Spätglazial auftreten. Ähnliches gilt für die Mikroklingentechnik in der Steinbearbeitung, die im Ostseeraum seit ca. 7.000 cal BC bekannt ist und die sich über Osteuropa und Sibirien ebenfalls bis ins späte Pleistozän zurückverfolgen lässt.

Im Rahmen einer deutsch-russischen Kooperation sollen Qualität und Auflösung der Daten, die zur Erforschung dieser steinzeitlichen Ost-West-Beziehungen zur Verfügung stehen, deutlich verbessert werden. Dabei gilt es, in mehreren Beispielregionen zwischen Ostsee und Ural durch die Auswertung vorhandener Fundkomplexe einerseits und die weitere Erschließung ausgewählter Plätze im Gelände andererseits Referenzstationen zu entwickeln. Unter Einbeziehung von naturwissenschaftlichen Disziplinen wie Archäozoologie, Dendrochronologie und Geowissenschaften werden gemeinsam mit den russischen Partnern qualitätvolle Daten erarbeitet und so die Grundlagen für den überregionalen Vergleich der kulturellen und sozioökonomischen Entwicklung geschaffen. Erste Vorarbeiten wurden bereits mithilfe von Förderungen der DFG und der Gerda-Henkel-Stiftung in enger Kooperation mit Prof. Dr. Mikhail Žilin, Dr. Svetlana Savčenko und Dr. Nadežda Nedomolkina realisiert.