Publikationen

Odeta Rudling: Von der nationalen Form zum nationalen Inhalt. Litauische Folklore zwischen Sowjetisierung und Nationsbildung (1940–1990)

Odeta Rudling analysiert in Von der nationalen Form zum nationalen Inhalt die Ausformung der sowjetischen Folklorepolitik, die zwischen 1940 und 1990 zur Übertragung und partiellen Übernahme des sowjetischen Modells in der litauischen SSR führte. Mit dem Fokus auf lokale Akteure und deren Rolle in diesem Prozess veranschaulicht sie sowohl die Techniken der Eliten als auch die inhaltliche Transformation der Volkskunst, die sich einerseits auf der Mikroebene des staatlichen Volksmusikensembles, andererseits auf der Makroebene der staatlichen Massenkultur manifestierte.
Im Zentrum des Buchs steht die Frage danach, wie die Sowjetisierungsbestrebungen im Bereich der Folklorepolitik umgesetzt wurden und in welchem Verhältnis sie zur litauischen Nationsbildung standen. Vor dem Hintergrund der Forschung zur sowjetischen Nationalitätenpolitik demonstriert die Autorin, wie und weshalb die kulturpolitischen Maßnahmen zur Kontinuität der Neo-korenizacija beitrugen und damit auch der litauischen Nationsbildung mittels Sowjetisierung Vorschub leisteten. Die Stimulierung der nationalen Identität wird hier anhand zweier zentraler Erzählstränge aufgezeigt, mit der staatlichen folkloristischen Politik auf der einen und einer antimodernistischen ethnonationalistischen Bewegung auf der anderen Seite, die, obwohl sie sich getrennt voneinander entwickelten, im Spätsozialismus interagieren mussten und schließlich in den späten 1980er Jahren zur treibenden Kraft der „Singenden Revolution“ wurden.

Forschungen zur osteuropäischen Geschichte, 89
Wiesbaden: Harrassowitz 2023

Mathias Niendorf: Geschichte Litauens. Regionen, Reiche, Republiken 1009–2009

2009 beging die Republik Litauen ihre Tausendjahrfeier. Wer sich in Deutschland über historische Hintergründe informieren wollte, war bislang auf wenige, überwiegend veraltete Werke angewiesen. Diese Lücke wird nun von Mathias Niendorfs neuer Gesamtdarstellung geschlossen. Auf Basis des aktuellen Forschungsstands bietet sie einen Überblick vom Mittelalter bis in die jüngste Vergangenheit. Quellennah und anschaulich zeichnet Niendorf den Aufstieg eines heidnischen Landes zu einem mittelalterlichen Großreich nach, schildert die Folgen einer immer enger werdenden Anlehnung an Polen und analysiert den sozialen und kulturellen Wandel im Zarenreich. Besondere Aufmerksamkeit gilt der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Teil dieser häufig dramatischen Geschichte ist die Erlangung staatlicher Unabhängigkeit nach dem Ersten Weltkrieg, ihr Verlust als Folge des Hitler-Stalin Pakts und nicht zuletzt die Ermordung von Litauens Juden unter deutscher Besatzung. Bis in die Zeiten der Republik bzw. Sowjetrepublik wird den Handlungsspielräumen vor Ort nachgegangen. Fragen des Zusammenlebens von Litauern und Polen, Juden, Russen und Weißrussen gehören zu den Schwerpunkten der Darstellung. So wird der Blick „von oben“ mit einem Blick „von unten“ konfrontiert. Das Interesse gilt nicht nur politischen Eliten und gesellschaftlichen Strukturen, sondern ebenso konkreten Lebenswelten, Hütten und Palästen, Straßen und Plätzen. Exemplarische Biografien illustrieren das Schicksal eines Landes, seine Traditionslinien und seine Brüche.

Wiesbaden: Harrassowitz 2022

Aleksandra Kuligowska, Mathias Niendorf (Hrsg.): Sztubak, student i uczony. Ernst Bernheim w egodokumentach 1865-1880 / Pennäler – Student – Privatdozent. Der Historiker Ernst Bernheim in Selbstzeugnissen 1865-1880

Ernst Bernheim (1850-1942) legte die Grundlagen der modernen Geschichtswissenschaft. Auch heute noch greifen Historikerinnen und Historiker, bewusst oder unbewusst, auf seine Methodenlehre zurück. Die hier erstmals edierten Briefe an die Eltern und andere Dokumente des jungen Bernheims liefern Bausteine einer intellektuellen Biografie. Sie lassen den Leser an der Entwicklung des Schülers und Studenten zum Gelehrten teilhaben, an der Rolle des Elternhauses, an ersten Erfolgen, aber auch Alltagssorgen und Nöten des späteren Universitätsprofessors.

Warszawa: Wydawnictwa Uniwersytetu Warszawskiego 2020

Tatsiana Astrouskaya: Cultural Dissent in Soviet Belarus (1968–1988). Intelligentsia, Samizdat and Nonconformist Discourses

Soviet Belarus has been often referred to as the most loyal of all Soviet republics, where there was no protest and no sign of nonconformism appeared. This image persisted well into the next decades, when Socialism collapsed, the independent state of Belarus arose, and the impulse of democratic development was once again endangered by the establishment of authoritarianism.
This book focuses on the dissent ideas that circulated in the milieu of the Belarusian Soviet Intelligentsia both in samizdat (uncensored) and in the officially published literature. It argues that the latter was not less crucial for the transmission of the unconventional images of culture and identity than the former. These ideas forewent the unprecedented rise of the cultural and political life in the late 1980s–early 1990s, which had been often overshadowed by the further downfall.
The timeframe of the study lies between 1968, when the events of the Prague Spring and its violent suppression altered the intellectuals’ perception of themselves and of the Socialist order and 1988, when, on the eve of the Autumn of Nations in Eastern and Central Europe, the intellectual dissent in the BSSR melted into political protest.
Which were the conditions of the rise and existence of nonconformism of the intelligentsia in the generally conformist society? How and by which instruments the samizdat publishing functioned, how and to which extent the exchange of ideas took place? And finally, how the Belarusian intelligentsia responded to the challenges of writing and thinking within the Socialist system? These questions are central to the book.

Historische Belarus-Studien, 8
Wiesbaden: Harrassowitz 2019

Stefan Striegler: Raumwahrnehmung und Orientierung im südöstlichen Ostseeraum vom 10. bis 16. Jahrhundert. Von der kognitiven zur physischen Karte

In der vorliegenden Studie wird untersucht, wie geografische Räume in den primär mündlich geprägten Lebenswelten des Mittelalters wahrgenommen und das Wissen darüber kommuniziert werden konnten. Am Beispiel eines überschaubaren Raumausschnitts werden die Beschreibungsmuster und Verbreitungswege geografischen Wissens herausgearbeitet. Die Ergebnisse werden unter Verwendung aktueller Theorien aus der Wissenssoziologie und Sozialgeografie interpretiert. Darauf aufbauend wird ein allgemeines Modell der mittelalterlichen Raumwahrnehmung und Orientierung entworfen.

Stuttgart: J.B. Metzler 2018

Olga Sasunkevich: Informal Trade, Gender and the Border Experience. From Political Borders to Social Boundaries

Detailing the history of a well-known phenomenon of post-socialism - cross-border petty trade and smuggling - as the history of a practice in daily life from a gendered perspective, this book considers how changes in these practices in a particular border region, between Belarus and Lithuania, have been accompanied, and to some extent provoked, by changes in the border regime. It looks at how the selective openness of the Belarus-Lithuania border worked during different periods over the last twenty years and how it influenced the involvement of different social groups in shuttle trade practices. Foremost, this book considers how political borders implement and/or intensify social boundaries and suggests that the selective openness of political borders, a prerequisite for the existence of female shuttle trade activities, is primarily built upon people’s social characteristics. However, it claims that what can be seen as the grounds for growing inequality at a global level, at a local one may have an important resourceful meaning for various social groups including those usually perceived as disadvantaged, such as widowed female retirees or unemployed single women with children.

Routlegde 2018

Mathias Niendorf (Hrsg.): Gerhardt Katsch. Greifswalder Tagebuch 1945-46

Weit über die Grenzen Greifswalds hinaus hat sich Gerhardt Katsch (1887-1961) einen Namen gemacht. Als Professor für Innere Medizin gehört er zu den Pionieren der Diabetesforschung. Obgleich Parteimitglied, brachte er als einer von ganz wenigen Deutschen den Mut auf, sich einem Befehl Hitlers zu widersetzen und der Roten Armee die Kapitulation anzubieten.
Groß war daher das Interesse, als Katschs Aufzeichnungen aus den Jahren 1946-47 ans Tageslicht gelangten. Vermutungen, dass sich weitere Notizen erhalten haben müssten, beflügelten Nachforschungen. Ein solcher mit Spannung erwarteter Fund wird hier erstmals der Öffentlichkeit präsentiert.
Katschs Tagebuch aus den Jahren 1945-46 ist das früheste aus der Nachkriegszeit überhaupt.
Es zeigt seinen Autor in rastlosem Einsatz für Klinik und Patienten und beleuchtet seine Bemühungen um die Bewahrung der Universität. Katsch ist nüchterner Beobachter und handelnde Person in einem, was das Tagebuch zu einem besonderen Zeitdokument macht.

Kiel: Ludwig 2015