Europäerinnen an der Koromandelküste
Eine Sozial- und Kulturgeschichte der Geschlechterbeziehungen in kolonialen Gesellschaften (17.-19. Jahrhundert)
Seit den vergangenen Jahren rückt die Geschichte der Frau immer stärker in den Mit-telpunkt des Interesses. Geschlechterstudien („Gender Studies“) stellen die Rolle der Frau in einen breiteren sozial- und kulturgeschichtlichen Kontext. Gibt es für Europa mittlerweile umfangreiche Untersuchungen vom Mittelalter bis zur Neuesten Zeit, die die Bedeutung der Frau und ihre Stellung innerhalb der Gesellschaft beleuchten, feh-len einschlägige Studien zu den kolonialen Lebenswelten Asiens fast völlig. Arbeiten über die Stellung der Europäerin auf dem indischen Subkontinent setzen in der Regel erst mit dem Zeitalter des Imperialismus ein. Dennoch stellen gerade das 17. und 18. Jahrhundert einen bedeutsamen, formativen Zeitraum dar, in dem nicht nur europäi-sche Machtkonflikte und Handelsinteressen, sondern auch gesellschaftliche und kul-turelle Strukturen nach Übersee transferiert wurden. Diese waren für die Bildung ei-ner kolonialen Gesellschaft ausschlaggebend, an der Frauen im zunehmenden Maße partizipierten.
Das Ziel des großzügig von der Gerda Henkel Stiftung geförderten Projektes „Eu-ropäerinnen an der Koromandelküste“ ist es, sich am konkreten Beispiel einer indi-schen Region der Untersuchung von Geschlechterbeziehungen und Familienstruktu-ren kolonialer Haushalte zwischen 17. und 19. Jahrhundert zu widmen. Da die Koro-mandelküste wie auch die übrigen Küsten des Subkontinents von einem Nebeneinan-der verschiedener europäischer Handelsgesellschaften gekennzeichnet war, wird eine vergleichende Perspektive gewählt. Konkret wird nach der Situation der Frau im ge-sellschaftlichen, ökonomischen, juristischen und konfessionellen Zusammenhang ge-fragt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei spezifischen Entwicklungstendenzen, die sich beispielsweise durch unterschiedliche Konfessionen in britischen, niederländi-schen, dänischen, portugiesischen und französischen Handelsplätzen, durch die briti-sche territoriale Expansion oder die Französische Revolution ergaben.
Im einzelnen fragt dieses Projekt nach:
• demographischen Strukturen,
• Heiratsalter und Familienstrukturen,
• der Rolle der Frau im Haushalt und Besitzverhältnissen innerhalb der Familie,
• dem Anteil der Frau im beruflichen Leben der kolonialen Gesellschaft, insbe-sondere auch nach den Aufgaben und der Stellung von Missionarinnen,
• weiblicher Kulturförderung und Mäzenatentum,
• der rechtlichen, vor allem erbrechtlichen, Position der Frau,
• Kriminalität und sozialen Problemen,
• obrigkeitlichen Regelmechanismen,
• der zeitgenössischen Wahrnehmung der multikonfessionellen weiblichen euro-päischen Gesellschaft in Indien.
Das Projekte wurde unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Krieger von der Projektmitarbeitererin Yvonne Schmidt, M.A. von 2005 bis 2007 durchgeführt.
Projektbeschreibung „Europäerinnen an der Koromandelküste" als PDF-Download